Transkript
Podcast-Episode: Freude wieder lernen – Warum es manchmal das schwerste Gefühl ist
Warum mir diese Episode schwerfiel
In den drei letzten Podcast-Episoden habe ich über Gefühle gesprochen. Und tiefer reingeschaut haben wir bei der Trauer und der Angst. Und heute möchte ich die Freude etwas näher betrachten. Und als ich den Podcast vorbereitet habe – respektive, der spukt mir ja schon lange im Kopf herum – da habe ich plötzlich gemerkt, dass ich dem etwas ausweiche. Und genau darüber möchte ich heute mit dir sprechen. Warum weiche ich dem Podcast, wo es um Freude, um ein so schönes Gefühl geht, aus?
Was steckt da dahinter?
Mein Name ist Beatrice Wespi. Ich bin Beziehungscoach. Und ich begleite Paare und Einzelpersonen bei Beziehungskrisen, bei Trennungen oder wenn sie einfach mehr aus ihrer Beziehung herausholen möchten.
Die Angst vor der Freude – und dem Vergleich
Ja, das Thema Freude. Eigentlich ein wunderschönes Thema. Und Freude habe ich so, so viel in meinem Alltag. Und trotzdem habe ich diese Episode etwas rausgeschoben. Immer mal wieder. Und plötzlich habe ich mich gefragt: Hey, was ist das Problem? Was steckt da dahinter?
Warum schiebe ich eine Podcast-Episode über so etwas Schönes raus? Und ich habe gemerkt, dass ich ja nicht nur über meine Freude im Leben sprechen möchte, sondern dass es mir darum geht, dir wirklich etwas Handfestes mitzugeben. Und ich merke auch, dass oftmals, wenn Menschen zum Beispiel über ihre Freude, über ihre Erfolge sprechen, das Gegenüber sich etwas unsicher oder eher zurückhaltend zeigt – weil sie oder er dann oft das Gefühl hat: Na ja, die kann doch sprechen.
Bei der läuft alles perfekt: Erfolg im Job, Erfolg in den Beziehungen, und die hat ja ein superschönes Leben. Die kann schon von ihrer Freude erzählen. Und ja, da möchte ich mal genauer hinschauen. Und ich möchte dir zeigen, dass mein Leben auch nicht immer so verläuft, dass ich den ganzen Tag Friede, Freude, Eierkuchen habe. Und dass ich aber trotzdem in den letzten Monaten – oder sagen wir mal: Monaten – gelernt habe, wie es anders gehen kann, wie es noch tiefer gehen kann. Dass ich wirklich, vielleicht nicht jeden Tag – das wäre jetzt doch etwas übertrieben, glaube ich – aber doch die meisten Tage immer wieder, manchmal mehr, manchmal weniger Momente habe, wo ich so extrem glücklich bin.
So extrem viel Freude verspüre, dass es im ganzen Körper kribbelt. Und ich mich auch schon oftmals gefragt habe: Hey, es fühlt sich an wie verliebt sein, aber ich bin gerade nicht verliebt.
Was ist es? Und gemerkt habe: Hey, es ist verliebt, ins Leben zu sein. Und genau das wünsche ich mir für dich auch – dass du mehr solche Momente erleben darfst.
Mein Weg durch Krankheit, Trennung und Neubeginn
Und jetzt zeige ich dir meinen Weg, wie ich dazu gekommen bin, weil der lief auch nicht immer so super toll. Wenn ich die letzten drei, dreieinhalb, knapp vier Jahre zurückblicke, dann waren in meinem Leben Nierenkrebs – also eine Krankheit. Es waren drei, in Kürze steht die vierte Operation bevor, zu unterschiedlichen Themen. Es war eine schwierige Trennung dabei.
Es war ein grosser Umzug dabei – von einem wunderschönen Haus in eine, okay, auch sehr schöne Wohnung in der Stadt Bern. Es war im Job ganz viel Neues dabei, weil ich habe mich vor rund drei Jahren – ziemlich genau drei Jahren – völlig neu positioniert. Ich durfte mir ganz viele neue Dinge aneignen, Neues lernen, mich massiv weiterentwickeln mit all dem, was ich erlebt habe. Und glaub mir: Das war alles auch nicht nur easy peasy. Und es war alles nicht nur Freude, sondern es gab ganz, ganz, ganz, ganz viel Schmerz. Unglaublich viel Schmerz in diesen dreieinhalb Jahren. Und was ich aber lernen durfte – und das ist mir jetzt ganz wichtig – ist: Je tiefer ich den Schmerz spüren konnte, desto besser und höher kann ich jetzt auch die Freude spüren.
Als ich keine Freude mehr spüren konnte
Lass uns mal noch zurückblicken – ein paar Jahre früher. Es gab eine Zeit, ich weiss nicht mehr genau, es war so um 2016/17, glaube ich – da war für mich das Leben gut. Von aussen gesehen, würde ich mal sagen: ziemlich perfekt. Ich war verheiratet, hatte zwei tolle Kinder, wir hatten ein schönes Haus. Und ich im Inneren fühlte mich manchmal … ja, unzufrieden. Und doch: Man darf doch nicht unzufrieden sein, wenn alles so schön passt? Aber vielleicht – es war vielleicht nicht mal unzufrieden – es war vielleicht mehr leer. Ja, ich kann es nicht genau beschreiben, weil es sich eben wie leer anfühlte. Was ich plötzlich gemerkt habe, ist: Hey, ich habe keine richtige Freude mehr. Da können schöne Dinge passieren, und ich sehe es gar nicht mehr.
Ich lebe einfach so von Tag zu Tag. Also ich war in keiner Depression, bei weitem nicht. Und ich fühlte mich okay, aber ich habe plötzlich gemerkt: Hey, die Tage, die tröpfeln so dahin – der Alltag – und ich freue mich gar nicht mehr. Das Leben, das Lebendige, das habe ich wie nicht mehr gespürt. Es ist mir abhandengekommen. Und da habe ich auch zum zweiten Mal einen Restart gemacht – eine Persönlichkeitsentwicklung. Ich habe da wieder angefangen zu lernen, Freude zu empfangen.
Freude durch Natur und Dankbarkeit wieder spüren
Und das habe ich damals mit recht kleinen Schritten gemacht. Ich habe Blumen näher angeschaut, mich eine Minute oder auch länger – viel länger ging nicht – mit einer Blume befasst, sie von jeder Seite betrachtet, ihre Schönheit versucht wieder aufzunehmen. Und es fühlte sich so an, wie wenn du mit einer Feder über deine Haut fährst – ganz sanft, langsam – wieder die Freude zu erwecken an dem Schönen.
Das kann man wirklich in der Natur super üben. Man kann ein Blatt mal tiefer betrachten und schauen: Hey, was sehe ich da alles? Wie sieht das aus? Wie sieht jedes Blatt anders, einzigartig aus? Und so nach und nach wieder die Freude etwas wecken. Das sind zu Beginn ganz kleine Schritte, die man da macht. Und ja, die habe ich auch gemacht – Schritt für Schritt.
Ein nächster Step war bei mir das Dankbarkeitsritual. Das kennst du von mir, wenn du mir schon länger folgst. Ich finde es nach wie vor ein absolut geniales Tool, wo es darum geht, immer mal wieder – zu Beginn jeden Abend – zwei, drei Dinge aufzuschreiben, für die du dankbar bist. Und auch das habe ich am Anfang gemacht – aber sehr, sehr oberflächlich. Ich habe mehr oder weniger: Ja, ich bin dankbar für unser schönes Haus, ich bin dankbar für unsere Gesundheit. Und das hat natürlich nicht sehr viel bewirkt, zugegebenermassen. Irgendwann habe ich dann realisiert – oder ich habe es irgendwo gelernt oder gelesen, das weiss ich nicht mehr so genau – dass es auch dort darum geht, ins Gefühl zu gehen, sich zu öffnen für diese Dankbarkeit.
Und am Anfang mag das etwas nach Schauspiel aussehen, wenn man sich da versucht zu öffnen und wirklich die Freude zu spüren. Und trotzdem: Meine Erfahrung ist – hey, geh da durch, übe dich darin, trainiere dich darin. Und je länger du das machst, desto mehr wirst du wieder ein kleines Auflackern spüren von deiner Freude, die du in dir hast.
Freude und Schmerz – zwei Seiten derselben Medaille
Und ja, so ging das weiter und weiter und weiter. Und ich glaube, der grösste Gamechanger – und das ist für mich ganz, ganz wichtig, weil das wünsche ich mir für so, so viele Menschen – waren die letzten dreieinhalb Jahre. Und ja, da gab es extrem viel Schmerz.
Und das musste ich durch, das musste ich wirklich erfahren, das musste ich spüren, das musste ich lernen. Zu nehmen und zu halten – ganz, ganz wichtig. Diesen Schmerz zu halten, mich auch im Schmerz sicher zu fühlen und das Vertrauen zu haben: Hey, es geht weiter. Ich komme weiter. Und je tiefer ich diesen Schmerz spüren konnte, desto mehr konnte ich mich auch öffnen für diese unbändige Freude. Und ich habe das auch schon in einer Episode erwähnt, glaube ich. Ich erinnere mich an Situationen – vor ziemlich genau zwei Jahren – wo ich in meinem Zimmer lag, auf dem Bett zusammengekauert, mich gehalten habe und mein Herz fast rausgerissen hat vor Schmerz.
Und ich in diesem tiefen Schmerz wusste: Hey, lass es einfach durch dich durchfliessen. Vielleicht dauert es eine Viertelstunde, vielleicht eine halbe Stunde, vielleicht dauert es eine Stunde – vielleicht auch etwas länger. Aber ich weiss – und das wusste ich mit ganz, ganz tiefer Sicherheit – wenn ich rausgehe, wenn ich wieder aufstehe und rausgehe, dann ist es möglich, dass ich fünf Minuten später das grösste Glück empfinde. Weil ich in die Stadt laufe, wunderschöne Blüten sehe, das Wetter schön ist – was auch immer – oder jemanden treffe, den ich gerne mag.
Leben heisst: Herz offen für alles
Und ja, ich glaube, das ist etwas ganz, ganz Wichtiges, dass wir das erkennen. Denn das Leben besteht immer aus Dualität. Also: Es gibt keinen Tag ohne die Nacht. Es gibt keinen Schatten ohne das Licht. Es gibt kein Weiss ohne Schwarz. Und es gibt keine intensive Freude, ohne auch intensive Trauer zu fühlen.
Und ich bin, je länger, je mehr auch überzeugt, dass ganz viele Menschen nicht mehr diese grosse Freude spüren können. Das sehen wir ja auch, wenn wir durch die Stadt laufen, wie sich die Menschen da zeigen – weil sie sich verschlossen haben, um den Schmerz, den sie in sich tragen, nicht zu spüren. Und wenn wir es schaffen, langsam die Tür zu öffnen, um die Schmerzen wieder anzunehmen, zu spüren – und da meine ich nicht, ins Drama zu gehen –
gleich hörst du dir mal die Episode über die Trauer nach, da erkläre ich das auch – es geht nicht darum, ins Drama zu gehen. Es geht darum, die Trauer anzunehmen, durchfliessen zu lassen und – je nachdem – sich auch Unterstützung zu holen: bei einer Freundin, einem Freund, professionelle Unterstützung – was auch immer. Und ich bin auch nicht der Meinung, dass man da extrem lang in dieser tiefen Trauer sein und bleiben muss. Nein, überhaupt nicht. Es geht darum, die Tür zu öffnen – Spalt für Spalt – und immer wieder mehr diese Trauer zu fühlen.
Sie durchfliessen zu lassen, diese Schmerzen zu heilen – und so sich auch zu öffnen, sein Herz zu öffnen für all die schönen Gefühle. Und unser Leben hier – in der Schweiz sowieso, aber auch in Westeuropa – ja, wir haben wirklich, ich glaube, fast alle Menschen … Sicher, es gibt Menschen, die wirklich ein ganz, ganz schweres Leben haben. Spannenderweise sind es oft die Menschen, die gar nicht so unglücklich sind. Aber die Mehrheit der Menschen – wir haben wirklich hier ein gutes Leben. Und wir finden jeden Tag mehr als drei Gründe, warum wir Freude empfinden – oder für die wir Freude empfinden können, für die wir Glück empfinden können.
Einladung zum lebendigen Leben
Und ja, ich glaube, es ist das, was ich dir mitgeben wollte: Hey, wenn du spürst – so wie ich es mal vor, was sind das, acht, neun Jahren gespürt habe – mein Alltag, mein Leben besteht nur noch so aus, sagen wir mal, einem schwarz-weissen Band. Nicht wirklich happy, nicht wirklich traurig. Es ist einfach okay. Es ist mir wohl. Es geht so. Dann schau da mal rein und versuche, langsam die Türe zu öffnen – für Trauer, wenn da noch Trauer ist. Und ich bin fast sicher: Da ist noch Trauer irgendwo.
Und auf der anderen Seite: für die Freude und das Glück. Und je mehr du diese Tür für beide Seiten öffnest, desto lebendiger, desto kraftvoller, desto spannender auch wird dein Leben. Und das wünsche ich mir für dich – von ganzem Herzen.
Ich freue mich riesig, dass du mir heute deine Zeit geschenkt hast, dass du meinem Podcast folgst. Wenn du Lust auf mehr hast, abonniere meinen Podcast. Und wenn du Fragen oder Anregungen hast – du findest mich auf Instagram, Facebook, LinkedIn, auf meiner Website oder auf meinem YouTube-Kanal. Ich freue mich, dass du auch beim nächsten Mal wieder dabei bist.
In Liebe,
deine Beatrice