Transkript
Hallo und herzlich willkommen zu Beziehungsmagie, sicher durch Liebe, Glück und Krise navigieren.
Mein Name ist Beatrice Wespi, ich bin Beziehungs- und Businesscoach und ich freue mich, dich zu einer weiteren Episode zum Thema «Das Risiko, sich zu öffnen» zu begrüssen. Mega schön, dass du dabei bist.
In der heutigen Episode spreche ich über ein Thema, das eher selten thematisiert wird. Es geht um ein Gefühl, das wir alle kennen, das jedoch selten offen ausgesprochen wird – Scham.
Scham ist ein Gefühl, das tief in uns verankert ist und oft unser Verhalten, unsere Entscheidungen und vor allem unsere Beziehungen beeinflusst, ohne – und das ist ganz wichtig sich das bewusst zu machen –dass wir es bewusst wahrnehmen. Viele von uns tragen Scham in sich, die bereits in den frühen Lebensjahren entstanden ist und uns unerkannt bis ins Jetzt begleitet. Heute möchte ich mit dir erkunden, wie Scham entsteht, wie sie sich in unserem Leben manifestiert und welchen Einfluss sie auf unser Selbstbild und unsere Beziehungen hat.
Es ist mir wichtig hier noch etwas zu konkretisieren: Es gibt verschiedene Arten von Scham, wie körperliche, soziale, sexuelle und existentielle Scham. Heute konzentrieren wir uns auf die emotionale Scham.
Scham kann schon im kleinsten Kindesalter, ja sogar im Babyalter entstehen. Stell dir ein kleines Kind vor, das seine Gefühle offen zeigt – Wut, Traurigkeit, Angst. Wenn diese Emotionen von den Eltern oder anderen Bezugspersonen nicht angenommen oder als unangemessen abgetan werden, kann das Kind beginnen, diese Teile seiner Persönlichkeit als falsch oder unerwünscht zu empfinden. Es lernt, dass bestimmte Gefühle nicht gezeigt werden dürfen, weil sie nicht akzeptiert sind. Diese frühen Erfahrungen können tief verwurzelte Scham hervorrufen, die das Kind dazu bringt, sich selbst und seine Emotionen zu verstecken. Wichtig ist hier zu verstehen, dass dies nicht unbedingt durch schwerwiegende Erlebnisse im Baby- oder Kindesalter entstehen muss und dass man keine Rabeneltern gehabt haben muss um Scham zu entwickeln. Das kann im «normalen» Alltag geschehen – aufgrund von Gesellschaftsnormen, der Erziehung der Eltern und vielem mehr.
Ein weiteres Beispiel ist übermäßige Kritik oder hohe Erwartungen. Kinder, die ständig kritisiert werden oder das Gefühl haben, niemals den Erwartungen der Erwachsenen gerecht zu werden, entwickeln oft das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Diese Scham, die aus dem Glauben entsteht, dass man nur unter bestimmten Bedingungen geliebt wird, kann das ganze Leben prägen. Sie kann dazu führen, dass wir uns als Erwachsene nicht trauen, uns so zu zeigen, wie wir wirklich sind, weil wir glauben, dass wir in unserer wahren Form nicht liebenswert sind.
Diese Scham zeigt sich in verschiedenen Formen. Vielleicht kennst du das Gefühl, dass du in bestimmten Situationen nicht wirklich du selbst sein kannst, dass du dich anpasst oder versteckst, um nicht negativ aufzufallen oder um nicht abgelehnt zu werden. Vielleicht erlebst du in Beziehungen immer wieder die Angst, nicht gut genug zu sein, nicht genug zu geben oder nicht genug zu lieben. Eine weitere Form dieser Scham kann sich als Perfektionismus zeigen. Nämlich das Gefühl zu haben, dass uns das Gegenüber nur dann liebt, wenn wir perfekt sind und alles perfekt machen. Das ist besonders in Partnerschaften nicht einfach und bedeutet natürlich auch Dauerstress für die betroffene Person. All diese Gefühle sind oft die Folge von tiefsitzender Scham, die aus frühkindlichen Erfahrungen resultiert und sich in unserem Selbstbild festgesetzt hat.
Scham ist tatsächlich ein Gefühl, das uns lähmen kann und uns oft auch zu Verhaltensweisen führt, die in Beziehungen nicht hilfreich sind. Sie flüstert uns zu, dass wir nicht liebenswert sind und dass wir etwas in uns verstecken müssen, um akzeptiert zu werden. Diese unbewusste Verleugnung unserer echten Gefühle und Bedürfnisse macht es besonders schwer, die Scham zu erkennen und ihr auf den Grund zu gehen.
Ein Beispiel dafür ist Anna. Anna ist eine erfolgreiche Berufstätige und Mutter von zwei Kindern. Schon früh lernt sie, dass es wichtig ist, in allem, was sie tut, gut zu sein. Ihre Eltern legen großen Wert auf Leistung und Disziplin, und Anna will immer beweisen, dass sie diesen Erwartungen gerecht werden kann. Diese Prägung führt dazu, dass Anna im Erwachsenenalter den Anspruch entwickelt, in allen Lebensbereichen perfekt zu sein – als Partnerin, Mutter und im Beruf.
In ihren Beziehungen fällt es Anna schwer, Schwächen zu zeigen oder um Hilfe zu bitten. Sie fühlt sich oft überfordert, traut sich aber nicht, das zuzugeben, aus Angst, als unzulänglich oder schwach angesehen zu werden. Diese Angst vor der Bewertung anderer führt dazu, dass Anna oft bis zur Erschöpfung arbeitet, sowohl beruflich als auch privat. Wenn sie es einmal nicht schafft, allen Erwartungen gerecht zu werden, fühlt sie sich schuldig und schämt sich dafür, dass sie nicht perfekt ist.
In ihrer Partnerschaft zeigt sich diese Scham dadurch, dass Anna Schwierigkeiten hat, offen über ihre Überforderung und ihre Ängste zu sprechen. Stattdessen versucht sie, alles alleine zu bewältigen, was oft zu Frustration und emotionaler Distanz in der Beziehung führt. Sie glaubt, dass ihr Partner sie vielleicht nicht mehr respektieren würde, wenn er wüsste, wie überfordert sie sich manchmal fühlt. Diese Scham, nicht „gut genug“ zu sein, verhindert, dass Anna sich wirklich öffnet und Unterstützung von ihrem Partner annimmt, selbst wenn sie sie dringend braucht. Als Nebeneffekt hat Anna auch keine Zeit für sich selbst, und auch die Zeit für gemeinsame Aktivitäten in der Partnerschaft fehlt, was zusätzlich dazu führt, dass sich die beiden je länger, je mehr distanzieren.
Ein weiteres Beispiel ist Markus. Markus wächst in einer Umgebung auf, in der von ihm erwartet wird, stark und unabhängig zu sein. Gefühle wie Traurigkeit, Unsicherheit oder Angst werden in seiner Familie nicht wirklich thematisiert – es gilt als wichtig, Probleme alleine zu lösen und „die Dinge im Griff zu haben“. Schon früh lernt Markus, seine Emotionen zu unterdrücken und eine Fassade der Stärke aufrechtzuerhalten.
Als Erwachsener führt dies dazu, dass Markus in seinen Beziehungen Schwierigkeiten hat, sich wirklich zu öffnen. Er hat das Gefühl, dass er immer stark und kontrolliert wirken muss, um geliebt und respektiert zu werden. Er schämt sich für Momente, in denen er sich verletzlich fühlt oder Unsicherheiten zeigt, und zieht sich emotional zurück, wenn es in seiner Partnerschaft zu Konflikten oder emotionalen Gesprächen kommt.
Diese innere Scham, die ihm einflüstert, dass seine Gefühle und Schwächen nicht akzeptabel sind, führt dazu, dass Markus oft Schwierigkeiten hat, sich wirklich mit seiner Partnerin zu verbinden. Statt offen über seine Gefühle zu sprechen, reagiert er mit Schweigen oder Rückzug, weil er befürchtet, dass seine Partnerin ihn für schwach halten könnte, wenn er seine wahre, verletzliche Seite zeigt. In seinem tiefsten Inneren spürt Markus jedoch eine ständige Unzufriedenheit und das Gefühl, dass in seinen Beziehungen etwas fehlt – eine Tiefe, die er nicht erreichen kann, solange er sich selbst verleugnet.
Auch seine Partnerin fühlt diese Distanz. Die Schwierigkeit in diesen Fällen ist oft, dass sie nicht fassen kann, was genau das Problem ist. Je nachdem, wie sie selbst geprägt ist und welche Schamthemen sie hat, entwickelt sie vielleicht das Gefühl, dass er sich aus Mangel an Liebe zu ihr zurückzieht, und sie fühlt sich nicht geliebt. Oft höre ich dann Sätze wie: «Wenn er mir nicht einmal so etwas anvertrauen kann, wo bleibt da die Liebe?» Im nächsten Schritt handelt seine Partnerin dann aus diesem Gefühl heraus, «nicht geliebt zu werden». Du kannst dir sicher vorstellen, welche Dynamik da in Gang gesetzt wird.
Gerne gebe ich dir ein paar Anhaltspunkte mit, wie du dir Scham in deiner Beziehung bewusst machen kannst. Denn wie du weisst, kannst du nur das verändern, was in deinem Bewusstsein ist. Das ist extrem hilfreich, denn Scham ist oft schwer zu identifizieren, weil sie sich tief in uns versteckt und unser Verhalten unbewusst steuert. Doch es gibt einige Hinweise, die dir zeigen können, ob Scham in deiner Beziehung eine Rolle spielt:
- Komisches Gefühl im Magen vor Gesprächen: Wenn du vor ernsten Gesprächen, wie dem Wunsch nach gemeinsamen Zukunftsplänen oder dem Ansprechen von wichtigen Themen wie Finanzen oder Familie, ein starkes Unbehagen verspürst, könnte dies ein Zeichen dafür sein, dass tiefsitzende Scham im Spiel ist.
- Vermeidung von schwierigen Gesprächen: Wenn du merkst, dass etwas zwischen dir und deinem Partner steht, es aber aus Scham oder Angst nicht ansprichst und hoffst, dass sich das Problem von selbst löst, könnte das ein Zeichen dafür sein, dass du schwierige Themen vermeidest. Dies kann in vielen Bereichen vorkommen, sei es bei emotionalen Problemen, Unsicherheiten oder auch bei Konflikten.
- Zurückhaltung bei der Suche nach Nähe: Wenn du dich nach Nähe sehnst, aber nicht wagst, das deinem Partner mitzuteilen, könnte das darauf hindeuten, dass du dich für deine Bedürfnisse und Wünsche schämst und sie deshalb unterdrückst.
- Schwierigkeiten, sich zu entschuldigen: Wenn du merkst, dass du dich nicht entschuldigen kannst, obwohl du weisst, dass du einen Fehler gemacht hast, könnte das an der Scham liegen, die dich davon abhält, Schwäche zu zeigen. Stattdessen vermeidest du das Thema, weil du dich insgeheim dafür schämst, nicht perfekt zu sein.
- Emotionaler Rückzug in Gesprächen: Wenn du in Gesprächen oder Streitigkeiten oft den Rückzug antrittst oder dich emotional distanzierst, weil du dich unwohl fühlst, deine wahren Gedanken und Gefühle zu teilen, könnte das ein Zeichen dafür sein, dass du dich für deine Emotionen schämst.
- Das Gefühl, sich anpassen zu müssen: Wenn du immer das Gefühl hast, dass du dich anpassen musst, um akzeptiert zu werden, verstellst du dich möglicherweise oder spielst eine Rolle, die du glaubst, dass dein Partner von dir erwartet. Diese Verhaltensweise kann ein Hinweis darauf sein, dass du Angst hast, dass dein wahres Selbst nicht ausreicht.
- Schweigen aus schlechtem Gewissen: Wenn du ein Thema vermeidest, weil du ein schlechtes Gewissen hast – zum Beispiel eine Affäre oder einen anderen Vertrauensbruch –, könnte das auf Scham hinweisen. Das Vermeiden von Gesprächen in solchen Situationen verschärft oft die Distanz und das Misstrauen in der Beziehung.
Es ist wichtig zu erwähnen, dass in vielen dieser Situationen nicht nur Scham, sondern auch Angst eine große Rolle spielt. Oft gehen diese beiden Emotionen Hand in Hand – die Scham treibt uns dazu, bestimmte Dinge zu verstecken oder zu vermeiden, während die Angst uns davor zurückschrecken lässt, uns damit auseinanderzusetzen. Gemeinsam können sie uns daran hindern, offen und ehrlich in unseren Beziehungen zu sein.
Reflektionsaufgabe
Nimm dir in den nächsten Tagen bewusst Zeit, um über dein Verhalten in deiner Beziehung nachzudenken. Gibt es Situationen, in denen du eines der oben genannten Anzeichen erkennst? Spürst du manchmal eine Unzufriedenheit oder ein Unbehagen, das du nicht genau einordnen kannst? Notiere diese Gedanken in einem Tagebuch oder auf einem Blatt Papier.
Überlege, ob diese Gefühle mit Scham zusammenhängen könnten und ob es Momente gibt, in denen du dich nicht traust, dein wahres Selbst zu zeigen. Diese Selbstreflexion ist der erste Schritt, um das Thema Scham in deinem Leben zu erkennen und damit zu beginnen, es aufzulösen.
In der nächsten Episode, dem Abschluss unserer Trilogie „Das Risiko, sich zu öffnen“, werden wir uns darauf konzentrieren, wie du mit den Themen, die wir besprochen haben – Liebe, Scham und Verletzlichkeit – umgehen und Heilung finden kannst. Wir werden darüber sprechen, wie du tiefere, ehrlichere Verbindungen zu dir selbst und zu anderen schaffen kannst, indem du dich traust, dein wahres Selbst zu zeigen und alte Wunden zu heilen.
Danke, dass du heute dabei warst. Wenn du Fragen hast oder deine eigenen Erfahrungen teilen möchtest, freue ich mich über deine Nachricht.
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